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Konrad Magirius
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CJD Zentralbereich Theologie, Wertekommunikation und Persönlichkeitsbildung Teckstraße 23 73061 Ebersbach
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Mein Bild für die Zukunft - Auf der Suche nach dem besten Fotomotiv und den gemeinsamen Zukunftsvisionen
Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
Die Zukunft geht uns alle an. Doch nicht alle können ihre Wünsche konkret benennen und trauen sich, ihre Vorstellung für die Welt von morgen in den Diskurs einzubringen. Im Fotoworkshop „Mein Bild für die Zukunft“ setzten sich junge Erwachsene aus der beruflichen Bildung inhaltlich und künstlerisch mit ihrer eigenen sowie der gesellschaftlichen Zukunft auseinander. Die Ergebnisse flossen in eine gemeinsame Fotoausstellung ein.
Eine Zielgruppe mit besonderen Herausforderungen
Der dreitägige Workshop war für junge Erwachsene im Alter von 16 bis 20 Jahren konzipiert, die in Ilmenau eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) oder eine Reha-Ausbildung absolvieren. Beide Maßnahmen richten sich an Menschen, welche – aufgrund unterschiedlicher psychischer und/oder körperlicher Einschränkungen – die für eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt erforderlichen Kompetenzen nicht besitzen. Lernschwächen, familiäre Herausforderungen oder chronische Erkrankungen waren bei den Teilnehmenden der Maßnahme weit verbreitet. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, werden in der BvB Grund- und Sozialkompetenzen gestärkt und dabei unterstützt, einen passenden Ausbildungsberuf zu finden. In der Reha-Ausbildung steht dann die Vermittlung von Fachkompetenzen an erster Stelle. Intensive pädagogische Unterstützung ist in beiden Maßnahmen essenziell, damit die jungen Erwachsenen ihren Weg ins Leben finden und die Zukunft aktiv mitgestalten.
Auch die Vermittlung eines Demokratieverständnisses ist in den Rahmenkonzepten der beiden Maßnahmen verankert und scheint immer notwendiger zu werden. Denn einerseits richten sich nur wenige Angebote der jugendpolitischen Bildung an diese Zielgruppe. Andererseits – und dies hängt auch mit dem Veranstaltungsort im Thüringer Wald zusammen – sympathisierten immer mehr junge Menschen mit rechten Ideologien. Dies wurde von Beginn an im Workshop durch das Tragen von gewissen Kleidungsstilen und erste Aussagen, die andere Personengruppen ausgrenzten, deutlich. Die Aufgabe der Workshopleitung bestand darin, entsprechende Aussagen zu reflektieren, andere Sichtweisen aufzuzeigen und das Gedankengut zu dekonstruieren. Die Bearbeitung entsprechender Aussagen erfolgte entschieden, durfte aber nicht den gesamten Gruppen- und Workshopprozess beeinflussen.
In die Zukunft und zurück zum Bild
In einem ersten Schritt beschäftigten sich die Teilnehmenden im Workshop selbst mit ihren individuellen Wünschen und Werten für die Zukunft und stellten diese ihren gesellschaftlichen Idealvorstellungen gegenüber. Während auf der individuellen Ebene beispielsweise Familie, sicheres Einkommen und Gesundheit genannt wurden, waren es auf der gesellschaftlichen Ebene unter anderem Frieden, Akzeptanz und Gerechtigkeit. Anschließend wurden die Begriffe gemeinsam inhaltlich eingeordnet und überlegt, wo und wie die Teilnehmenden die Werte bereits heute wahrnehmen. Hier zeigte sich, dass viele eine eher negative Sicht haben und die Begriffe scheinbar nicht erleben. Positivbeispiele wurden hingegen nur selten benannt und reflektiert. Die individuellen beziehungsweise familiären Erlebnisse aus der Vergangenheit tragen noch immer dazu bei, dass positive Entwicklungen nicht gesehen werden. Eine Teilnehmerin schilderte beispielsweise, dass sie keine Akzeptanz erfährt, weil sie früher gemobbt wurde. Dass sie in der Maßnahme jedoch so sein kann, wie sie will und dass sie hier mit ihren Stärken und Schwächen von allen anerkannt wird, konnte sie nur wenig sehen.
Der Diskurs wurde beim Spielen des „Zukunftturms“ vertieft. Dabei handelt es sich um ein vor drei Jahren von der Netzwerkstelle entwickeltes Jengaspiel, welches dazu einlädt über wichtige Zukunftsthemen ins Gespräch zu kommen. Die Teilnehmenden überlegten anschließend, welche Zukunftswünsche sie für die Gesellschaft haben. Diese wurden dann in Motivideen, die in Ilmenau fotografiert werden können, transferiert. Das war besonders herausfordernd, da es einer künstlerischen Übersetzungsleistung bedarf, um aus einem abstrakten Begriff ein gutes Fotomotiv zu entwickeln.
Um gute Fotos zu erstellen, sind natürlich auch gute Kameras erforderlich. In verschiedenen Runden konnten sich die Teilnehmenden daher mit hochwertigen Spiegelreflexkameras auseinandersetzen. Wie funktioniert das mit der Blende? Was bedeutet analoger und digitaler Zoom? Wie bekomme ich eine gute Tiefenunschärfe hin? Diese und viele weitere Fragen wurden praktisch erprobt. Nachdem die Teilnehmenden ein gutes Gefühl für die Kameras gewonnen hatten, ging es in die Stadt. Leider setzte genau in diesem Moment ein andauernder Regen ein. Aber: „Besondere Situationen lassen besondere Fotos entstehen“, war die Devise des begleitenden Fotografen. Also starteten die Teilnehmenden in die Stadt und machten ihre Bilder.
Fotoausstellung und Impulse für morgen
Am letzten Veranstaltungstag standen die Bildbearbeitung und die Erstellung einer Ausstellung auf dem Programm. Es wurde aber auch diskutiert, wie sich alle ganz praktisch für die Zukunftswünsche in der Gesellschaft und hin zur Politik einsetzen können. Insgesamt bearbeiteten und druckten die Teilnehmenden zwanzig Bilder, um damit ihre Zukunftswünsche zum Ausdruck zu bringen. Beispiele hierfür sind:
- der kaputte Wald auf dem Bergrücken nahe Ilmenau. Er steht für ein negatives Zukunftsbild und die Aufforderung: Wir müssen mehr für unsere Umwelt tun.
- der Taster an der Ampel, mit dem man auf Grün schalten kann. Er steht für schnelle Hilfe und Unterstützung: Wir wollen in Zukunft hilfsbereiter sein und andere Personen unterstützen.
- zwei Menschen, die sich an der Hand halten. Sie stehen für Akzeptanz und Liebe. Ganz egal wen man liebt: Alle sind ein wichtiger Teil unseres Miteinander.
Es sind die Kleinigkeiten, die die Teilnehmenden in ihrem unmittelbaren Umfeld verändern wollen, damit bereits im eigenen Lebensumfeld positive Zukunftsbilder entstehen können. Und es sind die Kleinigkeiten, die im Rahmen des Workshops zur Reflexion von Verhalten und Meinungen geführt haben. Dazu zählen unter anderem das individuelle Gespräch zu demokratiefeindlichen Aussagen, das Nachfragen bei persönlichen Negativerlebnissen und das Aufzeigen von positiven Beispielen, wo ein Engagement zielführend war. All das führt dazu, dass sich die Teilnehmenden gesehen und akzeptiert fühlen.
Die Erstellung der Fotoausstellung hat dazu beigetragen, dass die Teilnehmenden sich mehr zutrauen und aktiv werden. Das geschenkte Vertrauen, mit den hochwertigen Kameras allein unterwegs zu sein, wurde in der Abschlussrunde positiv hervorgehoben. Dies zeigt, dass den jungen Teilnehmenden nur selten Verantwortung übertragen wird. Aber es funktioniert – die Bilder in der Ausstellung können sich sehen lassen. In den kommenden Wochen werden diese in Ilmenau ausgestellt. Es wird sichtbar, was sich die Workshopteilnehmenden wünschen und sie selbst erfahren: Ich bin wichtig und kann etwas zur Gesellschaft gewinnbringend beitragen. Hoffentlich nehmen sie die Erfahrung auch langfristig mit und bringen sich immer wieder ein. Denn bei der Gestaltung der Zukunft kommt es auf alle an.
